Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.
Konfuzius
Die Mittelstufe umfasst in der Freien Waldorfschule die Klassen 5 bis einschließlich 8. Die Kinder in diesen Klassen sind 10 bis 14 Jahre alt und machen einen wichtigen Umschwung in ihrer Entwicklung durch. In den Grundschuljahren reifen die Urteilskräfte der Schüler*innen erst heran, während sie in der Mittelstufe das Tor zum kausal-analytischen Denken öffnen. Die Pädagogik in der Waldorfschule trägt dieser neuen Entwicklung Rechnung. Mathematik, Physik und Chemie appellieren ab dieser Klassenstufe verstärkt an das eigene, kombinierende Denkvermögen.
Zunächst selber entdecken
Der mathematisch naturwissenschaftliche Unterricht an der Waldorfschule ist in diesem Alter so konzipiert, dass die Jugendlichen zunächst das Ereignis nur beobachten, anschließend die Gesetzmäßigkeiten erkennen und anwenden lernen. Die Erscheinungen der Welt werden ohne Erklärung vorgestellt, wie zum Beispiel das auf dem Kopf stehende Bild einer Lochkamera. Dann suchen die Schüler*innen eigene Erklärungen, die sie selbst formulieren müssen. Dabei entsteht eine enge Verbindung zum wissenschaftlichen Phänomen und der Jugendliche wird selbst zu einem Teil dieser Welt, die er durch sein Beobachtungs- und Denkvermögen als sinnvoll und gestaltbar erfährt. Diese Vorgehensweise wirkt dem Gefühl der Entfremdung und Sinnlosigkeit entgegen – eines der größten Jugendprobleme unserer Zeit.
Kunst und Handwerk
Gleichzeitig mit den intellektuell orientierten Fachgebieten bieten wir dem Heranwachsenden eine Reihe von Möglichkeiten, künstlerisch und gestalterisch tätig zu werden. Musik, Malen, Zeichnen, Werken (Holz, Ton, Metall), textiles Gestalten (Entwurf, Zuschnitt, Nähen), Gartenbau, Eurythmie, Sport und Theater schulen die sozialen Kompetenzen, die heute im Arbeitsleben eine immer wichtigere Rolle spielen.
Denken, Fühlen und Wollen
Seit über 90 Jahren beschäftigt sich die Waldorfpädagogik mit dem dreigliedrigen Wesen des Menschen: seinem Denken (intellektuelle Fähigkeiten), seinem Fühlen (künstlerische Begabungen) und seinem Wollen (handwerkliche Tätigkeiten). Wir fordern und sprechen die Jugendlichen auf allen drei Ebenen an und arbeiten damit an dem Gefühl der Würde und der Einmaligkeit jedes Menschen. Wir helfen den Jugendlichen in der schwierigen Zeit des Umbruchs, ihren Weg zu finden und sich im alltäglichen Leben zurechtzufinden. Regelmäßige Projektarbeiten unserer jugendlichen Waldorfschüler*innen in sozialen und ökologischen Projekten (Waldpraktikum in niedersächsischen Forstgebieten, Naturschutz im Wattenmeer) unterstützen diesen Ansatz.
Sinnvolles Lernen
Viele krisenhafte Erscheinungen der Jugendzeit (Depression, Magersucht, Gewalttätigkeit, Drogenkonsum) können durch diese Herangehensweise aufgefangen und in positiv gestaltende Handlung umgewandelt werden. Unser Erziehungsziel ist es, den Jugendlichen einen Weg zu eröffnen, sich als eigenständiges Individuum zu erfahren und die Welt als sinnvoll zu erleben. Damit einher geht das Gefühl für die eigene Einmaligkeit und die damit verbundene Verantwortung.